Veröffentlicht am: 23. April 2025

175 Jahre Nordseeheilbad Borkum

Vor genau 175 Jahren wurde auf Initiative des damals auf der Nordseeinsel Borkum tätigen Landchirurgen Ferdinand Friedrich Rohde die erste Badeliste ins Leben gerufen, auf der man die Gästezahlen fortan genau registrierte. Diese Einführung im Jahre 1850 markiert für viele den eigentlichen Beginn der Geschichte Borkums als Nordseeheilbad.

Ausgabe No. 91
175 Jahre Nordseeheilbad Borkum

Bereits in den 1830er-Jahren kamen die ersten Sommergäste, die hier zunächst gegen Bezahlung in den spärlichen Häusern der Insulaner unterkamen. An noble Hotels oder Pensionen mit Frühstücksbuffets war in dieser Zeit noch lange nicht zu denken, sodass die ersten Touristen meist Betten, Besteck, Geschirr und Lebensmittel selbst mitbringen mussten. Das Verhältnis zwischen Gästen und Insulanern, die sich infolge des alljährlichen Kuraufenthaltes gegenseitig fast alle kannten, war damals noch ein sehr persönliches. Die Gäste gehörten „mit zur Familie“, wie man auf der Insel sagte. Ein aufmerksamer Besucher schilderte das damalige Badeleben mit folgenden Worten: „Der Fremde wanderte zu jeder Tageszeit im Schlafrock und Pantoffeln mit der Pfeife durchs Dorf, ohne mit irgendwelcher Etikette in Konflikt zu geraten.“ 

Landchirurgen sind beeindruckt vom Seeklima

Doch Ruhe und Erholung sollten nicht die einzigen Aushängeschilder Borkums bleiben. Denn schon bald sorgten der ab 1839 auf der Insel stationierte Landchirurg Johann Georg Friedrich Ripking sowie sein Nachfolger Ferdinand Friedrich Rohde mit positiven Berichten und viel Enthusiasmus dafür, dass die größte Ostfriesische Insel auch für ihr gesundheitsförderndes Klima bekannt wurde. So zeigten sich die beiden Ärzte beeindruckt vom Gesundheitszustand der Insulaner – die damals noch mit großer Armut zu kämpfen hatte – und erkannten, dass dieser wohl u.a. auf die Wirkung des hiesigen Seeklimas zurückzuführen sei. 

Bereits Ripking begann daher damit, Zimmer an kranke Badegäste zu vermieten, die „an der Nordsee ihre verlorene Gesundheit restaurieren möchten“. Inspiriert durch die Nachbarinsel Norderney, die bereits seit 1800 den offiziellen Status eines Kurbades trug, war es sein Ziel, auch auf Borkum das Kur- und Badewesen populärer machen. Damit brachte er einen Stein ins Rollen, der bis heute unterwegs ist und Grundlage für die Entstehung der vielen Kur- und Rehakliniken auf dem schönsten Sandhaufen der Welt war.

Erste Erholungskuren

 Zudem gründete der im Jahre 1802 im niedersächsischen Hittfeld geborene Landchirurg 1846 ein Sanatorium zur Behandlung von z.B. an Hautkrankheiten leidenden Kindern und warb gleichzeitig in der damals schon erscheinenden Ostfriesischen Zeitung für entsprechende Erholungskuren auf Borkum. In einem entsprechenden Artikel erbot sich Ripking, an Skrufulose und „ähnlichen Übeln“ leidende Knaben im Alter von 6 bis 12 Jahren aufzunehmen und diese in hygienischer und wissenschaftlicher Beziehung zu überwachen. Als Preis für Wohnung, Verpflegung und Betreuung forderte er eine wöchentliche Bezahlung von 3 Talern.

Gastfreundlichkeit und erste Badeliste

Nachdem Ripking nach elf Jahren auf der Insel im September 1849 um seine Entlassung aus dem Staatsdienst bat, um in holländische Dienste zu gehen, übernahm sein Nachfolger Ferdinand Friedrich Rohde dieses Sanatorium und baute es in den folgenden Jahren beträchtlich aus.

Außerdem setzte er sich tatkräftig für die weitere Entwicklung des Bades ein und pries in einem 1850 in der Ostfriesischen Zeitung veröffentlichten Beitrag die Sauberkeit der 80 in holländischem Stil erbauten und malerisch geordneten Inselhäuser sowie die Freundlichkeit und Biederkeit der Insulaner, die gerne geneigt dazu sein, Fremde zu soliden Preisen aufzunehmen:


„Die mehrfach an mich ergangenen Anfragen in Beziehung auf die hiesigen das Seebad anlangenden Verhältnisse veranlassen mich, im Interesse des leidenen und im Seebade Hülfe suchenden Publikums zu folgender Mittheilung, um deren Veröffentlichung ich die verehrlichen Redactionen unserer vaterländischen Zeitungen, namentlich in der Provinz Ostfriesland erscheinenden, hierdurch gehorsamst ersuche. Die von den Nordseeinseln hannoverschen Gebiete vom Festlande am weitesten, der See dagegen am nächstengelegene Insel Borkum hat, wie das die Karte vom Königreich Hannover am deutlichsten zeigt, unter den Inseln die bedeutendste Arealgröße und verschafft ihren Einwohnern und den sie besuchenden Fremden durch ihre vielen fruchtbaren Gärten, Wiesen, Ackerländereien u.s.w. viel mehr Naturreize als irgend eine andere der in Rede stehenden Inseln darzubieten vermag. Die hiesigen nach holländischer Manier im Ganzen sehr einfach, aber zweckmäßig erbauten und nicht unbequemen Wohnhäuser, deren Zahl über 80 hinausgeht, liegen mit ihrer freundlichen, meistentheils aus Gärten bestehenden Umgebung zwar chaotisch durcheinander, geben aber durch diese ihre bunte unregelmäßige Lage und die stets daran und darin vorzufindende Rheinlichkeit, verbunden mit einer außerordentlichen Freundlichkeit, Artigkeit und Biederkeit ihrer Insassen, der Insulaner, das schönste, getreueste Gemälde eines unverdorbenen Land- oder vielmehr Insellebens. Aus Vorstehendem wird nun erfahren werden können, daß das Seebad Borkum sich für diejenigen am Besten eignet, welche in wahrhaft stiller Zurückgezogenheit von dem geräuschvollen Stadtleben und lästigen Geschäftsdruck im Seebade wirklich Erholung und Hülfe suchen. Namentlich aber dürfte Borkum großen (vielzähligen) Familien, denen der Besuch eines anderen Seebades in der That zu theuer wird, ein billiges und passendes Asyl gewähren, denn hier lebt man für wenig Geld gut und ganz ungeniert; hier fühlt man den Druck der Etiquette nicht; hier kleidet sich ein Jeder, wie es ihm beliebt, hier haben Nachtmütze, Schlafrock und Pantoffeln mit Hut, Frack und Stiefeln gleichen Wert; hier gilt Gottlob ein nicht geschorener Bart mit glattrasierten Kinne völlig gleich.“

Aber nicht nur das: Der Landchirurg Rohde erreichte außerdem, dass ab 1850 sogenannte Badelisten eingeführt und die Gästezahlen fortan genau registriert wurden. Zwar gibt es keine offiziellen Bestätigungen, Belege oder Ernennungsurkunden, jedoch markierte die offizielle Einführung der fortan jährlich erstellten Badelisten vor genau 175 Jahren für viele den eigentlichen Beginn des Nordseeheilbades Borkum. 

Gastronomie und Anreisemöglichkeit

Wurden auf der Badeliste im Jahr 1850 noch 252 Gäste erfasst, sollte diese Zahl in den darauffolgenden Jahrzehnten immer rasanter ansteigen – was unter anderem daran lag, dass die Borkumer stetig zu vorzüglichen Gastgebern heranreiften. So errichtet der Gastwirt Jan H. Visser 1852 neben seinem Haus ein großes Sommerzelt mit dem Namen „bei Mutter Visser“ (in der heutigen Wilhelm-Bakker-Straße neben dem Rathaus), in dem Besucherinnen und Besuchern erstmalig warme Speisen angeboten wurden. Zudem entstand 1858 mit dem Uhlenkampschen Gasthof direkt neben dem Alten Turm (heute „Haus am Alten Leuchtturm“) das erste Hotel mit Speisesaal. Noch attraktiver wird das Reiseziel Borkum durch die 1856 erfolgte Inbetriebnahme der Hannoverschen Westbahn von Rheine nach Emden. Nun reisen auch immer mehr Gäste aus Westfalen und dem Rheinland an, die ab 1857 von Dampfschiffen auf die Insel gebracht werden. Zwar gab es auch schon in den Jahren zuvor sporadische Touren und Tagesausflugsfahrten nach Borkum, von einer regelmäßigen Fährverbindung war man bis dahin jedoch noch weit entfernt. Übrigens: Die ersten Erholungssuchenden kamen in den 1830er-Jahren meist noch mit privaten Segelbooten, die ansonsten eigentlich Lebensmittel und andere wichtige Güter auf die Insel transportierten.

Schaffung touristischer Attraktionen

In diesen Jahren verlegte man zudem einen Weg von der Ortsmitte zum Weststrand und verbessert die ‚Infrastruktur’ am Strand durch die Errichtung eines großen Holzschuppens, in dem Gäste sich umziehen können. Ab 1860 wurden außerdem Badekutschen bzw. -karren aufgestellt, um den aufkommenden Badetourismus noch weiter zu fördern. 1861 riefen die Verantwortlichen schließlich eine Badekommission ins Leben, die sich fortan um die Regelung der Finanzen des Seebades, die Festlegung von Mieten und Verpflegungspreisen, die Vermietung von Badezelten und -kutschen sowie um die Wahrnehmung aller sonstigen Interessen zur Förderung des Bades kümmert. Neben der Schaffung von Attraktionen setzt sich die Badekommission zudem für einen Mindeststandard bei der Unterbringung der Gäste ein. So lässt sie beispielsweise in den Häusern, die Kurgäste beherbergen, alte Wandbetten durch moderne Betten ersetzen – und fertigt bequeme Sofas an, die den gastgebenden Insulanern mietweise überlassen werden. 

Nicht zuletzt aufgrund der Bemühungen der Badekommission steigt die Gästezahl in der Folgezeit immer mehr an. So verzeichnen die Badelisten im Jahre 1869 998, im Jahr 1871 1.422 und im Jahr 1880 schon 2.310 Feriengäste.

Bedeutende Stellung unter Seebädern

Während die touristische Infrastruktur immer weiter wächst, wird auch die Anreise nochmal deutlich einfacher. Mussten Gäste zuvor von den Dampfschiffen noch auf kleine Boote umsteigen, um zu den im flachen Wasser wartenden Pferdekutschen zu gelangen, die sie schließlich auf einer bis zu 1 ½ Stunden dauernden Fahrt über unbefestigte Wege in den Ort brachten, erwarten sie ab 1888 geradezu luxuriöse Bedingungen.

Denn dank des Baus des Reededamms, einer gezeitenunabhängigen Anlegestelle sowie der Inbetriebnahme der Inselbahn konnten Gäste ihr Reiseziel fortan weitaus bequemer erreichen. Und so wunderte es auch nicht, dass im Jahre 1890 bereits 6.121 und zehn Jahre später sogar rund 16.000 Erholungssuchende nach Borkum kamen. „Die Nordseebadeanstalt der Insel Borkum, welche vor wenigen Jahrzehnten sich in den Einrichtungen kaum mit denen in Spiekeroog und Wangerooge messen konnte, hat dieselben bei Weitem überholt und nimmt unter den deutschen Nordseebädern bereits eine sehr bedeutende Stelle ein“, erklärte Autor Carl Berenberg bereits Ende des 19. Jahrhunderts. In der Folgezeit entstanden auf der Insel auch weitere prächtige Hotels, die sich in ein mondänes Kurviertel eingliederten, das teilweise heute noch erhalten ist. 

Anerkennung als Meeresheilbad

Lediglich unterbrochen vom Ersten (1914 – 1918) und Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945), als Borkum zur Seefestung erklärt und Touristen der Zugang verwehrt wird, strömten weiterhin Tausende Urlauber auf den schönsten Sandhaufen der Welt. Besonders in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Gästezahl stark an. 

Neben Hotels, Pensionen und Ferienunterkünften eröffneten neue Lokale, denen Restaurants, Bars und Beherbergungsbetriebe folgen. Am 5. September 1949 erhält Borkum schließlich die staatliche Anerkennung als Meeresheilbad, was noch mehr Aufschwung verleiht. Demnach zählt die Insel 1949 rund 20.000 Gäste, während es in der darauffolgenden Saison bereits 31.380 (!) sind – und Touristen teilweise wieder nach Hause geschickt werden müssen.

Nachdem auch in den 1950er- und 1960er-Jahren ein nahezu kontinuierlicher Anstieg der Gästezahlen zu verzeichnen ist, gibt es einen nochmaligen Schub durch den Einsatz von Autofähren ab 1968. Nicht zuletzt dadurch erhöht sich die Besucheranzahl in den darauffolgenden drei Jahren von 71.903 auf 95.432.

Stetig verbessertes Angebot für Gäste

Darüber hinaus war auch die Schaffung touristischer Attraktionen verantwortlich dafür, dass Borkum als Reiseziel immer angesagter wurde. So legte die 1861 gegründete Badekommission – Vorgängerin der heutigen Nordseeheilbad Borkum GmbH – einst den Grundstein dafür, dass es den Badegästen hier niemals langweilig wird. Dem Charakter eines Seebades entsprechend war es die vordringlichste Aufgabe der Badekommission, das Baden im Meer zu ermöglichen. Folglich ließ sie Badekarren und Strandkörbe aufstellen, sorgte mit Rettungsschwimmern für die Badesicherheit, errichtete Milchbuden für die Versorgung der Strandgäste und förderte Bewegungsangebote wie z.B. Strandgymnastik und Wassersport.  Die Badekommission bzw. Nordseeheilbad Borkum GmbH schaffte im Laufe der Zeit zudem viele ansprechende touristische Angebote, die dazu beigetragen haben, dass immer mehr Gäste auf die Insel kamen. Ob die Errichtung der Warmwasser-Badeanstalt im Jahre 1875, aus der schließlich die Wellness- und Erlebnis-Attraktion Gezeitenland hervorgegangen ist, der Bau von Wandelhalle und Promenade, die noch heute zum Flanieren, Verweilen und Tanzen einladen, die Schaffung des Musikpavillons samt der Organisation der Auftritte von Ensembles und Bands, die Eröffnung der Kulturinsel, in der regelmäßig kunterbunte Veranstaltungen mit hochkarätigen Künstlerinnen und Künstlern stattfinden, die Spielinsel, in der sich die jüngsten Gäste richtig austoben können oder der Betrieb des sanierten Nordsee Aquariums, in dem Besuchende faszinierende Lebewesen der Unterwasserwelt rund um Borkum kennenlernen können. 

Diese und weitere Attraktionen sorgen neben dem gesunden Hochseeklima dafür, dass heute mittlerweile jährlich mehr als 300.000 Gäste auf die Insel strömen.

Kunterbunte Veranstaltungen

Und diesen bieten sich nicht nur touristische Attraktionen, sondern selbstverständlich auch viele ansprechende Events, die keinerlei Wünsche offenlassen. Vom „Musik & Meer“-Programm, in dessen Rahmen von April bis Oktober unterschiedliche Bands für schwingende Tanzbeine auf der Promenade sorgen, über Wein- und Straßenfeste bis hin zu den vom 8. bis 11. August 2025 stattfindenden Beach Days Borkum, welche mit spektakulären Beachvolleyballturnieren und Auftritten von angesagten Popstars jedes Jahr aufs Neue für große Furore sorgen – der Veranstaltungskalender ist breit gefächert und verspricht über das gesamte Jahr verteilt unvergessliche Erlebnisse. 

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